Sistanagila - Pressestimmen
Sistanagila
Taz
31.03.2022
Iranisch-israelische Band Sistanigla: Komponieren ohne Berührungsängste
Das iranisch-israelische Ensemble Sistanagila zeigt seine kulturelle Vielseitigkeit erstmals im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie.
© Esra Rotthoff
Vier von sechs Mitgliedern der Band Sistanagila sind in einer Charlottenburger Musikschule zur Probe zusammengekommen. Yuval Halpern und Mahjabin Kavari sitzen und diskutieren, während Bassist Avi Albers Ben Chamo und Gitarrist Hemad Darabi geduldig zuhören.
Das Lied, das Yuval und Mahjabin gerade auf Hebräisch und Farsi gesungen haben, hat offenbar auf seinem Weg von der einen in die andere Sprache eine musikalische Adaption erfahren. Yuval vermisst in Mahjabins Interpretation eine motivische Wiederholung, die in der ursprünglichen, hebräischen Variante enthalten ist.
Mahjabin erklärt, dass der persische Satz, den sie singe, deutlich länger sei als der hebräische Bibeltext, der ihrer Übersetzung zugrunde lag, deshalb würde eine Wiederholung an dieser Stelle nicht passen. Gemeinsam probieren sie die Varianten aus, fragen die anderen, was sie davon halten. Beides okay, meint Gitarrist Hemad, und Bassist Avi, der sich später als Komponist des Stückes outen wird, hält sich mit einer eigenen Meinung zurück.
Alles entsteht gemeinsam
Es ist eine offenbar recht typische Szene für die musikalische Arbeit des iranisch-israelischen Ensembles. Stücke entstehen grundsätzlich in Gemeinschaftsarbeit. Fast alle Ensemblemitglieder komponieren selbst, bringen Ideen oder Stücke in den Arbeitsprozess ein, im Zuge dessen Dinge dann adaptiert und weiterentwickelt werden.
Sogar während der Coronalockdown-Phasen hätten sie so gearbeitet. Gemeinsam komponiert wurde dann eben über Zoom, „aber das war ganz schrecklich“, erinnert Yuval Halpern sich. „Wir haben drei Monate für Dinge gebraucht, die wir sonst in drei Proben machen.“
An diesem Abend im Probenkeller sind es noch knapp zwei Wochen hin bis zu Sistanagilas erstem Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie am 1. April: Die Band ist angekommen in einer der heiligen Hallen der Hochkultur. Erst vor Kurzem ist die lange Coronadurststrecke zu Ende gegangen; nun sind die MusikerInnen froh und dankbar für das Kulturförderprogramm des Bundes, das es ihnen ermöglicht, auf hohem Niveau wieder ins Konzertleben einzusteigen.
Traditionelle Wurzeln
Für das kommende Konzert konnte Guy Braunstein, ehemals Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, als Gast gewonnen werden. Eine spannende Herausforderung; ist doch Braunstein ein klassischer Geiger, wie er im Buche steht, während die Musik, die Sistanagila normalerweise macht, sich nicht in erster Linie auf die klassische europäische Tradition bezieht, sondern sehr stark auf die volkstümlichen musikalischen Wurzeln der beiden Länder der Bandmitglieder: Israel und Iran.
Babak Shafian, Berliner mit iranischen Wurzeln und damals noch kein Vollzeitmusikmanager, sondern Informatiker von Beruf, hatte vor etwa fünfzehn Jahren die Idee, eine Band mit iranischen und israelischen MusikerInnen zusammenzubringen. Im Jahr 2010 schließlich, als er den israelischstämmigen Musiker Yuval Halpern kennenlernte, wurde es dann ernst.
Halpern, der die musikalische Leitung des Ensembles übernahm, schrieb eine Art Gründungskomposition für die Gruppe, die auch zu ihrem Namen wurde: „Sistanagila“ ist eine bilinguale Neuschöpfung, deren zweiter Bestandteil aus dem hebräischen All-time-favourite „Hava Nagila“ entliehen ist. Der erste Bestandteil leitet sich von der Provinz Sistan im Südosten des Iran her. Als Hommage an persische Musiktraditionen schrieb Halpern „Sistanagila“ im 11/8-Takt. „Es war aber kein besonders gutes Stück“, sagt er selbstkritisch; die Band spiele es schon lange nicht mehr.
Überhaupt: Ein paar Nummern aus den frühen Jahren hätten sie zwar schon noch im Repertoire, aber ihr hauptsächlicher Fokus liege darauf, immer wieder etwas Neues zu machen. Für das bevorstehende Konzert mit Guy Braunstein haben sie eine zwanzigminütige Suite komponiert und sie, frei nach Vivaldi, „Die Jahreszeiten“ genannt. Klassische und folkloristische Elemente sollen darin eine Symbiose eingehen.
Stücke entstehen grundsätzlich in Gemeinschaftsarbeit, fast alle Ensemblemitglieder komponieren selbst
Musikalische Berührungsängste sind der Band ohnehin gänzlich fremd, kommen doch all ihre Mitglieder auch künstlerisch aus ganz verschiedenen Welten. Yuval Halpern ist eigentlich, wie er selbst sagt, in der klassischen Ecke bzw. der Welt der Neuen Musik zu Hause und hat ein Kompositionsstudium absolviert.
Mahjabin Kavari erzählt, dass sie im Iran Operngesang studierte, bevor sie nach Berlin kam, um an der UdK die Aufnahmeprüfung als Geigerin abzulegen. „Ich habe auch bestanden“, lächelt sie; aber begonnen habe sie das Studium nie, weil ihr das Singen wichtiger war. Zu Sistanagila kam sie mit Geige und blieb als Sängerin.
Aus einer völlig anderen musikalischen Heimat stammt ihr Landsmann, der Gitarrist Hemad Darabi, der im Iran unter anderem in einer Heavy Metal Band spielte und nach einem nicht genehmigten Sisters-of-Mercy-Coverversion-Konzert schon einmal vorübergehend im Polizeigewahrsam landete.
Der israelische Kontrabassist Avi Albers Ben Chamo wiederum begann seine Berliner Karriere mit einer Straßen-Jazzband, beschäftigt sich seit einiger Zeit aber intensiv mit klassischer Musiktheorie und lässt sich für seine Kompositionen vom Bachschen Kontrapunkt inspirieren. Der iranische Percussionist Jawad Salkhordeh und der israelische Saxofonist Omri Abramov, an diesem Probenabend beide nicht dabei, komplettieren die Gruppe.
Das Ensemble habe sich mittlerweile gut etabliert, sagt Yuval Halpern, man sei viel unterwegs – gerade jetzt mehr als jemals zuvor, weil so viele abgesagte Konzerte endlich nachgeholt werden könnten und müssten. Aber natürlich träumen sie davon, nicht nur in Europa aufzutreten, sondern den Geist iranisch-israelischer Musikfreundschaft auch in ihre Herkunftsländer zu tragen.
Daniel Barenboim ist ihr großes Vorbild, der mit seinem palästinensisch-jüdischen West Eastern Diwan Orchestra Konzerte in Israel und den palästinensischen Gebieten gegeben hat. „Unser großer Traum ist natürlich eine Tournee durch Israel und den Iran“, erklärt Yuval Halpern und grinst ein wenig. „Wenn wir alle deutsche Pässe hätten, wäre das theoretisch sogar durchführbar.“
Jüdische Allgemeine
04.09.2019, von Hannah Persson
Hören! - Persische Sonnenuntergänge
Die in Berlin lebenden israelischen und iranischen Musiker legen ihr neues Album vor.
© Neda-Navaee
Es ist ein Gänsehautmoment, wenn die junge Frau mit klarer Stimme ansetzt, »Shalom Aleichem« zu singen. Abgesehen von der Schönheit des Schabbatliedes ist die Sängerin ein kleines Wunder: Würde sie dieses Lied in ihrer Heimat singen, es wäre schlecht um ihre Sicherheit bestellt. Mahjabin Kavari Zadeh kommt aus dem Iran, der die Zerstörung Israels zur Staatsräson erhoben hat – und wo Frauen in der Öffentlichkeit nicht singen dürfen. Dann stimmt ein Mann namens Yuval Halpern mit ein. Wenn ein Israeli und eine Iranerin perfekt harmonieren, besteht Hoffnung!
Der Klub ist voll, wie eigentlich jedes Konzert des Berliner Musikprojekts Sistanagila, egal ob in einem kleinen Saal in Freiburg, einem Gemeindehaus in Bremen oder in der Passionskirche in Berlin. Dieser Abend feiert das Erscheinen des zweiten Albums, Urub, Sonnenuntergang auf Persisch, der Zeitpunkt, an dem man sich zusammensetzt. »Hine ma tov …«, singt Halpern, »alles ist gut, wenn Brüder zusammensitzen.«
In der Mischung aus traditioneller iranischer und jüdischer Musik sind immer wieder Einflüsse von Folk und Jazz zu hören.
FAMILIE »Sistanagila ist für mich wie eine Familie« sagt Gitarrist Hemad Darabi. »Jedes Mitglied hat einen anderen Geschmack, andere Verantwortung zu tragen. Aber zusammen wollen wir ein schönes, ein perfektes Leben in der Musikwelt aufbauen.« Seit rund sieben Jahren bauen Sistanagila schon daran. Mit stetig wachsendem Erfolg. 2020 werden sie in der Berliner Philharmonie zu hören sein.
Die Idee, diese Brücke aus Musik zu schlagen, hatte einst der iranischstämmige Informatiker Babak Shafian. Zusammen mit dem israelischen Komponisten Halpern brachte er die Musiker zusammen. »Das hat das Leben in Deutschland möglich gemacht«, sagt Halpern, der als musikalischer Direktor der Band nicht nur singt, sondern auch für die Arrangements zuständig ist.
In der Mischung aus traditioneller iranischer und jüdischer Musik sind immer wieder Einflüsse von Folk und Jazz, aber auch Heavy Metal zu hören. Jeder Musiker bringt sein ganz eigenes Ton-Paket mit. Das hört man auf dem neuen Album besonders gut, wo Darabi und Kontrabassist Avi Ben Chamo mit eigenen Kompositionen vertreten sind. Überhaupt zeigt Urub die Offenheit der Band, wenn Jawad Salkhodeh dem Tombak die unglaublichsten Rhythmen entlockt, Omri Abramov auf dem Saxofon zwischen Klezmer und Jazz neue Melodien findet oder Halperns Stimme zwischen Rock und sefardischer Romantik wechselt.
»Sistanagila ist für mich wie eine Familie« sagt Gitarrist Hemad Darabi.
ZUGANG »Ich glaube an die Message dieser Musik«, sagt Abramov, der bereits mit Idan Raichel auf der Bühne stand und der jüngste Zugang ist. Sängerin Kavari Zadeh kommt bei besonderen Konzerten als Gast dazu. Halpern wünscht sich mehr Gastmusiker aus den beiden Ländern. Um mit gutem Beispiel voranzugehen.
Das hat Sistanagila auch vergangenes Jahr getan, als sie beim Friedensfest in Ostritz aufgetreten sind, eine Gegenveranstaltung zum jährlichen Neonazi-Festival. Es sei nicht gerade ihr entspanntester Auftritt gewesen, betonen die Musiker. »Aber wenn sich jeder nur um den eigenen Frieden kümmert, hat der Frieden in der Welt keine Chance«, sagt der Bassist der Band.
Sistanagila: »Urub«, Berlin 2019
concerti
Feb. 2017, von Helge Birkelbach
Ensemble Sistanagila
Studieren, improvisieren, fusionieren – Sistanagila: Ein Ensemble setzt Zeichen gegen die Feindschaft seiner Heimatländer
© Neda-Navaee
Iran und Israel: So nah und doch so fern. Zwei Länder, die aufs Blut verfeindet sind, sich gegenseitig die Existenzberechtigung absprechen, ihre unterschiedlichen Religionen als schwere Geschütze in Stellung bringen und den Terror weiter eskalieren lassen. Vor der Islamischen Revolution 1979 waren die beiden Staaten befreundet und profitierten vom wirtschaftlichen Austausch. Danach indes regierten nur noch Hetze, Verdächtigungen, Säbelrasseln.
Dem in Israel geborenen Sänger und Komponisten Yuval Halpern und dem iranischen Informatiker Babak Shafian war diese Situation unerträglich. Sie begegneten sich in Berlin und erkannten, dass ihre Leidenschaft zur Musik tatsächlich Grenzen überwinden kann. Das West-Eastern Divan Orchestra, gegründet von Daniel Barenboim, war den beiden (die übrigens auch das gleiche Alter teilen) Vorbild, Gemeinsames statt Trennendes zu suchen. In dem Namen ihres Ensembles spiegelt sich das wider. „Sistan“ ist der Name einer iranischen Provinz, Hava Nagila ein hebräisches Volkslied. Zusammengeführt ergibt dies Sistanagila, ein Ensemble mit gleichberechtigten Partnern. Unterschiedliche Spielkulturen verschmelzen zu einer ungewohnten Einheit. „Bei uns in Israel studieren wir die Musik und spielen mit den Augen“, sagt Yuval Halpern. Dagegen werde im Iran „mehr improvisiert, findet das Spiel vorwiegend mit den Ohren statt.“ Ihr Konzert in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche stellt gleichzeitig einen Brückenschlag zum Okzident und der Musik des 20. Jahrhunderts dar.
Parallels
12.11.2014, von Soraya Sarhaddi Nelson
The Rare Place Where Israelis And Iranians Play Together
What do you get when three Israelis, two Iranians and a German walk into a room? A Berlin-based world music ensemble known as Sistanagila, named after an Iranian province — Sistan and Baluchestan — and the popular Jewish folk song "Hava Nagila."
Like many Iranians living abroad, Babak Shafian cringed whenever Mahmoud Ahmadinejad, his country's former president, spewed hate-filled rhetoric about Israel. The 33-year-old computer scientist says the diatribes ignored thousands of years of shared history between Jews and Persians.
"The main thing which annoyed me really is that Ahmadinejad was presented in the Western media as the main voice of Iranian society," says Shafian, who moved to Germany 14 years ago.
He decided the best antidote would be a musical collaboration with the alleged enemy. The problem, however, is that he didn't know how to play a musical instrument. So three years ago, Shafian talked to friends and scoured the Internet to find Israelis and Iranians living in Berlin who did.
Yuval Halpern, a 34-year-old lsraeli composer there, recalls getting Shafian's invitation through couchsurfing.org, a website that connects travelers with locals offering a place to crash.
"At first I thought he's a terrorist wanting to kidnap me, as most Israelis think when they think of Iran," Halpern says. "But then I thought I would just meet him and see how it is because I thought the idea was a nice one, and that is how it started."
Shafian, his German wife, two other Israelis and two Iranians now form the band Sistanagila, which plays what members describe as world music with improvisations and a folksy flair. The name, like the group, is a mix of Israel and Iran, combining the names of an Iranian province and a popular Jewish folk song played at bar mitzvahs, bat mitzvahs and weddings.
“At first I thought he's a terrorist wanting to kidnap me, as most Israelis think when they think of Iran. But then I thought I would just meet him and see how it is because I thought the idea was a nice one, and that is how it started.”
Israeli composer Yuval Halpern, describing when Iranian Babak Shafian first contacted him about collaborating
Halpern says the members have learned a lot about each other — not only about their countries' different musical styles but about each other's food and traditions. He jokes it sometimes can be a bit much, like when the Iranian members first heard "Hava Nagila."
"Israelis can't hear it anymore from [its] being done thousands, millions of times, and actually the Iranians were the ones who told us: 'Oh, let's do Hava Nagila,' " he recalls. "We said, 'Really, are you sure?' "
In the end, they did perform it. But just like "Yalla Yalla," a Moroccan folk song they recently rehearsed in a cramped basement in the trendy Kreuzberg neighborhood of Berlin, when they do Jewish songs, it's with a Persian twist.
That twist is provided in large part by their Iranian percussionist, Jawad Salkhordeh, who plays a traditional Persian instrument called a tombak. The 34-year-old immigrant from the Caspian Sea region of Iran earns his living in Berlin working as a nurse. But he says his real passion is music and that he loves having the freedom to create songs and lyrics with his Israeli colleagues and friends.
In Iran, "all of the lyrics and music has to be approved by the Islamic Guidance Ministry, a process that can take months," Salkhordeh says. "Women singers can't usually hold concerts unless they are just for women. It's very difficult to organize concerts, especially if men and women are performing together," as is the case with Sistanagila.
The group is one of a growing number of Middle Eastern musical collaborations in Germany where more and more immigrants from that region are settling — including tens of thousands of Israelis and Iranians.
Sistanagila members say they are determined to keep their music about art rather than politics, which is why Shafian says he turned down an invitation by the Iranian Embassy in Berlin to play at an interreligious event. Even so, several previous Iranian members of the group quit because they feared authorities in the Islamic Republic might lash out at them or their families in Iran for working with Israelis, Shafian says.
"In Iran there's always a risk, regardless of whether one has done something or not. So it could happen," he says.
The members nevertheless want to increase their visibility, which is why Sistanagila is starting an online campaign in the coming weeks to help fund its first CD.
The Christian Monitor Science
28.09.2014, von Rachel Stern
Iranians and Israelis find an unlikely musical detente in Germany
Israeli-Iranian ensemble Sistanagila, which combines both cultures' music into melodic wholes, is just one of several such collaborations that have sprung up in Germany.
Tabea Sternberg/Courtesy of Sistanagila
Berlin and Lich, Germany — Ten Iranians, now living in Germany, entered the recently reopened Bezalel Synagogue in the sleepy small town of Lich.
The amber lights dimmed and they tuned into the music as the ensemble Sistanagila began to play: a series of Iranian piano melodies and Israeli folk songs in succession, and sometimes fused together.
The group, which mirrors their often multicultural audience, is comprised of two Iranians, two Israelis, and a German. For the first time in mid-September, they performed to a packed house – including their Iranian audience members – at a synagogue, following a weekend performance at a cathedral and beforehand a mosque.
The freshly formed Berlin-based group is one of several unlikely cross-cultural musical collaborations sprouting up in Germany, which has experienced a surge of Middle Eastern migration in recent years. They include Berlin’s No Beef, a collective of Israeli and Iranian disk jockeys, and Cherry Bandora, an Israeli band that jams modern Turkish, Greek, and Egyptian tunes.
“The fact that we’re in Germany is one of the reasons that this project could happen,” says Yuval Halpern, Sistanagila’s composer from Israel. “It could not happen in Israel. It could not happen in Iran. I think Germany is a relatively immigrant-loving country, or at least a place that allows collaborations like this.”
Music and politics
Though Sistanagila promotes itself as apolitical, it’s inevitable that merging Israeli and Iranian musicians performing together will carry political undertones “whether we like it or not,” says Mr. Halpern.
When No Beef, founded two years ago, last DJed at a Berlin club during the outbreak of the Gaza invasion, “some [attendees] were worried about security,” says Reza Khani, its Iranian co-founder, who dismissed the concerns. Still, he uses a pseudonym to avoid problems re-entering Iran.
Mr. Khani launched the collective with an Israeli friend in order to communicate that “Iranians are not anti-Semitic. Tension is completely politics, and not the people themselves,” he says. Now the group's DJs splice a techno mix of Iranian funk from the '70s and Tel Aviv beach music together, and through the fun, open atmosphere, strive to show that the two groups have “no beef” with each other.
Sistanagila’s name itself is a hybrid of the two cultures, says Babak Shafian, the group’s Iranian initiator and organizer. Sistan is a province in southeast Iran and Nagila was plucked from “Hava Nagila,” an upbeat Jewish folk song and modern bar mitzvah staple.
Neutral territory
Groups like Sistanagila and No Beef need to find a neutral territory in order to exist, says Tal Alon, the editor-in-chief of Spitz, the first Hebrew-language magazine in Berlin since the Nazi era. And Germany is turning into such a place, she says.
Israelis, who often carry German passports due to a law that grants them to those whose grandparents had them revoked, are coming to Berlin for its creative community in increasing numbers, says Dr. Albrecht Fuess, an Islamic Studies professor at Phillip University of Marburg. Some estimates place the number in Berlin as high as 20,000. Ms. Alon moved to Berlin with her husband, a German-Israeli painter, two years ago.
Germany also has a community of up to 120,000 Iranians, most living in Hamburg. Nowadays many young Iranians head to Germany’s cities to study, and end up remaining.
“The fact that Germany is the external meeting place,” says Alon, “is the beauty of history.”
Hessische Niedersächsische Allgemeine
04.05.2014, von Georg Pepl
Musik mit Symbolkraft:
Sistanagila beim Weltmusikfestival
KASSEL. Unterschiedliche Eigenarten führen nicht zwangsläufig zu Konflikten, sondern auch zu Bereicherungen, heißt es im Programmheft des Kasseler Weltmusikfestivals über die Band Sistanagila und den hohen Symbolwert ihrer Botschaft. In Berlin lebende israelische und iranische Musiker haben sich zu einem Ensemble zusammengetan.
Nun bekamen sie viel Beifall beim Weltmusikfestival im ausverkauften Kulturzentrum Schlachthof - für persische und jüdische Musik sowie für eigene Kompositionen, die beide Stile mischten. Auch der Bandname Sistanagila stellt - brillant gewählt - eine Mischung dar: Sistan ist eine Provinz im Iran, Hava Nagila ein berühmtes hebräisches Lied.
Sistanagila lautete auch der Titel einer Komposition, und sie machte den musikalischen Dialog besonders deutlich - als Spiel von Frage und Antwort. Die Flöte warf eine kleine Melodie in den Raum, die anderen reagierten mit einer Variante des Themas.
Bei aller Beschwingtheit wurde fast kammermusikalisch diskret aufgespielt, und die Performance gewann im Laufe des Abends an Gelöstheit. Abgesehen von persischen Trommeln gab es - etwas schade - keine Folklore-Instrumente.
Mit Jawad Salkhordeh, der seine Finger virtuos auf der Bechertrommel Tombak tanzen ließ, gestalteten Yuval Halpern (Gesang, Moderation), Michal Tikotzki (Querflöte), Hemad Darabi (Gitarre), Ido Spak (Klavier) und Johanna Hessenberg (Saxofon) das Konzert.
Spannend ist der stilistische Hintergrund der Bandmitglieder. Hemad Darabi, der auf der akustischen Gitarre ein flinkes Flamenco-Solo beisteuerte, kommt eigentlich vom Heavy Metal. In der ersten der drei Zugaben griff er zur E-Gitarre, was ein seltenes Vergnügen ergab: Metal mit orientalischen Skalen und klassischer Flöte.
Der Tagesspiegel
12. Dezember 2013, von Stella Marie Hombach
Sistanagila - Ein Lied kann eine Brücke sein
Sich spielend verstehen: Bei Sistanagila machen Israelis und Iraner gemeinsam Musik. Ein Probenbesuch in Kreuzberg.
Das Licht geht an und Yuval steht in der Tür. Er geht barfuß, seine Jeans ist abgetragen und auf dem Arm hält er seine kleine Tochter. Hinter ihm aus dem Wohnzimmer dringen merkwürdige Geräusche. Kein Geschrei von Kindern. Zu hören ist das Piepen einer Flöte, der Schlag einer Trommel, und irgendwo stimmt sich ein Piano ein. Gleich kann die Probe beginnen.
Yuval Halpern ist 32 Jahre alt, wuchs in Israel auf und ging vor sieben Jahren zum Studium nach Den Haag. Dann zog er weiter nach Berlin, wo er jetzt mit seiner Freundin in einem Kreuzberger Altbau wohnt. Yuval ist Komponist und Sänger der Band Sistanagila, die der Iraner Babak Shafian vor zwei Jahren gegründet hat. Babak ist 32 und lebt seit 13 Jahren in Deutschland. Im Gegensatz zu Yuval ist sein Haar sorgfältig nach hinten gekämmt, die Kleidung sitzt ordentlich, Hose und Hemd sind akkurat aufeinander abgestimmt. Hava Nagila sei ein hebräisches Volkslied und Sistan eine iranische Provinz, erzählt Babak. Für den Bandnamen suchten sie einen Begriff, der in beiden Sprachen heimisch ist. In Sistanagila fanden sie einen Neologismus, der die israelische mit der iranischen Welt verbindet.
Begonnen hat ihre Band-Geschichte jedoch nicht in einer Eckkneipe. Die beiden lernten sich im Internet kennen. Auf dem Portal Couchsurfing wurde Babak auf Yuvals Profil aufmerksam, schrieb ihn an und erzählte ihm von seiner Idee. Bis dahin arbeitete Babak als Informatiker, und seine Freunde waren ziemlich überrascht, als er von seinem Projekt erzählte. Ich fand es schade, dass vor allem zu dieser Zeit die antiisraelische Stimme Ahmadinedschads so laut in den Medien vertreten war, sagt Babak. Den Worten des iranischen Präsidenten wollte er, nach dem Vorbild Daniel Barenboims, in dessen West-Eastern Divan Orchestra Israelis und Palästinenser zusammen spielen, die gemeinsame Sprache der Musik entgegensetzen.
Zu Sistanagila gehören derzeit sechs feste Mitglieder. Drei Israelis, zwei Iraner und eine Deutsche. Ähnlich wie Babak und Yuval sind auch sie zum Studium nach Berlin gekommen. Die Flötistin Michal Tikotzki geht noch zur Uni und der Trommler Jawad Salkhordeh verdient sein Geld mit dem Unterrichten.
Obwohl das Ensemble politisch motiviert ist, halten sich die Texte von Sistanagila aus der Politik heraus. Gesungen wird weder über die iranische Revolution von 1978/79 noch über die aktuelle Atomdebatte. Der gemeinsame Auftritt sei derzeit Aussage genug, finden Babak und Yuval.
Für seine Kompositionen geht Yuval in beiden Kulturen auf Erkundungstour. Er erforscht folkloristisch-religiöse Melodien, jüdische Klezmersongs sowie Texte und Klänge sephardischer Volkslieder. Er nimmt Tonleitern auseinander, arrangiert Gesänge, führt die unterschiedlichen Rhythmen zu neuen Klangbildern zusammen und bedient sich manchmal auch in der klassischen Moderne, bei Stravinsky oder Bartok.
Das erste Stück heißt wie die Band Sistanagila
und ist von der klassischen Frage-Antwort-Struktur der Rabbiner inspiriert.
Die persische Tombak-Trommel stellt eine Frage in den Raum und der Sänger
antwortet mit seinem rhythmischen Trällern. Piano und Flöte
treten in einen Dialog und konfrontieren die Trommel mit neuen Fragen.
Alle Instrumente stehen gleichberechtigt nebeneinander. Keins erhebt sich
über das andere. Es ist ein musikalisches Gespräch, das nicht
in der Vergangenheit, sondern im Hier und Heute angesiedelt ist. Wichtig
sind dabei auch die Improvisationen. Im Solo kann sich jeder ganz
frei und ohne Druck präsentieren, erklärt Yuval. Was dabei
deutlich wird ist, dass den iranischen Musikern das Improvisieren viel
leichter fällt als den israelischen. Bei uns studieren wir
die Musik und spielen mit den Augen, sagt Yuval: Im Iran wird
mehr improvisiert, findet das Spiel vorwiegend mit den Ohren statt.
Der Wechsel von Improvisation und Komposition ist somit für beide
eine Herausforderung.
Sistanagila ist ein Statement der Verständigung, aber auch der Selbstvergewisserung
Neben dem Blick in die andere Kultur ist das Musizieren aber auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln. Eigentlich kenne ich mich weder mit der jüdischen noch mit der iranischen Musik richtig aus, gesteht Yuval. Was ihn mit der Musiktradition seines Landes verbinde, sei mehr ein Gefühl als ein bewusstes Wissen.
Sistanagila ist die Band einer neuen Generation. Wie viele Zugewanderte bewegen sie sich nicht nur zwischen zwei, sondern zwischen mehreren Welten. Ihre Improvisationen sind ein Ausdruck von Neugier und eine Suche nach dem eigenen Weg. Sistanagila ist zwar ein Statement israelisch-iranischer Verständigung, aber auch eine Selbstvergewisserung. Den Begriff Multikulti lehnen sie ab. Sie wollen keinen Stempel aufgedrückt bekommen. Und so geht es in ihrem nächsten Stück nicht um folkloristische Tradition, sondern um Heavy Metal.
Am Ende der Probe kommen die Mitglieder von Sistanagila dann noch mal auf die Politik zurück. Nicht auf die internationale Debatte der Zeitungen, sondern auf die im eigenen Umfeld. Jawad berichtet, dass die Polizei vor kurzem bei seinen Eltern im Iran aufgetaucht sei. Die Polizisten haben über Facebook von der Band erfahren. Sie wollten meinem Vater nur den Rat geben, ein bisschen auf seinen Sohn aufzupassen, erzählt Jawad. Trotz seines Lächelns wirkt er traurig. Traurig und ein wenig bitter. Während Yuval daran glaubt, dass sie irgendwann einmal gemeinsam in Israel und im Iran auf der Bühne stehen, hält Jawad diesen Wunsch für naiv. Ein Traum, der mit der Realität nichts zu tun hat.
Mendelssohn-Remise am Gendarmenmarkt, Jägerstr. 51, Mitte, 15.12, 17:00 Uhr.