Shauli Einav - Biographie
Das Saxophon hat auf den in Luxemburg lebenden Saxophonisten und Komponisten Shauli Einav schon immer eine besondere Faszination ausgeübt. "Das fing schon beim Korpus an, der für mich etwas Maschinenähnliches hatte und den ich als deutlich cooler empfand als den einer Geige. Auch die Bedienung schien nicht allzu kompliziert zu sein", erinnert sich Einav, der im Alter von 13 Jahren von der Geige zum Saxofon wechselte. Seine Begeisterung für Musik wurde durch seine älteren Geschwister geweckt, die ihn während der Sommerferien oft auf Jazzfestivals mitnahmen. Dann ging er eines Tages in einen Plattenladen in Tel Aviv, wo ihm ein Album des Saxofonisten George Coleman in die Hände fiel. Als er dann wenig später noch die Musik von Charlie Parker entdeckte, gab es für Einav kein Halten mehr.
Musikerziehung hat in Israel eine lange Tradition, die den Grundstein für eine beeindruckende Reihe von Jazzmusikern gelegt hat, die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind. In dieser jungen, kreativen Musikszene ist Einav fest verankert. "In meiner Internatszeit habe ich regelmäßig Saxofon gespielt, so viel und so oft ich konnte. 1998 besuchte ich dann ein Musik-Camp, in dem ich viele junge, talentierte Musiker kennenlernte." Die noch wichtigere Begegnung ergab sich jedoch im Anschluss an das Camp, als Einav auf Arnie Lawrence Finkelstein traf – einen in Brooklyn/New York aufgewachsenen Saxofonisten, der im Jahr zu vor nach Israel gekommen war. Als Arnie Lawrence hatte er sich ab Mitte der 1950’er Jahre auf sich aufmerksam gemacht, weil er mit großen Namen wie John Coltrane und Charles Mingus spielte. Einav erkannte schnell, dass Lawrence eine "visonäre Persönlichkeit" war und führt dazu aus: "Er nutzte die Musik dazu, verfeindete Völker zu versöhnen, indem er jüdische und arabische Musiker zusammenführte. Für mich, aber auch für viele andere junge Musiker, war Arnie das musikalische Bindeglied zwischen New York und Jerusalem Fast alle Musiker aus Israel, die heute erfolgreich sind, entspringen mehr oder weniger Arnies Dunstkreis".
Nachdem Shauli Einav seinen ersten Abschluss in Israel gemacht hatte, setzte er seine Studien – wie so viele seiner Landsleute – in den USA fort. Zunächst verschlug es ihn nach Rochester, eine Stadt im Nordwesten des Bundestaats New York. Natürlich nutzte Einav schon damals jede Gelegenheit, sich Konzerte in New York City anzusehen, dort, wo er später auch hinzog. "In den ersten zwei Jahren meiner Zeit in New York bin ich jede Nacht auf Jamsessions gegangen. Um Eindrücke zu sammeln, zuzuhören und selbst zu spielen – auch wenn ich vorher nicht geübt hatte. Alleine schon unter diesen großartigen Musikern zu sein und direkten Kontakt mit ihnen zu haben, war für mich von unschätzbarem Wert".
Auf die Frage, warum sich so viele Musiker aus Israel in der Weltmetropole des Jazz behaupten, antwortet Einav: "Wir Israelis machen alles mit großer Leidenschaft, sind enorm ehrgeizig. Viele wollen nicht nur besser sein als alle Anderen, sondern in einer eigenen Liga spielen. Ob diese Einstellung auf Dauer gesund ist, bezweifele ich, aber so ist es nun mal."
Geboren auf dem Land in Israel, studierte Einav in New York und verbrachte mehrere Jahre in der Pariser Jazzszene, bevor er sich in seiner jetzigen Heimat Luxemburg niederließ. Er wuchs in einer musikalischen Familie auf und erhielt zunächst Geigenunterricht, bevor er mit Schlagzeug und Klavier experimentierte und seine Leidenschaft für das Saxophon entdeckte. Einavs Interesse am Jazz wurde durch regelmäßige Besuche mit seinem Vater, einem Amateurpianisten, auf dem israelischen Red Sea Jazz Festival geweckt, wo er von vielen der größten Vertreter dieser Musik begeistert war. (George Coleman war ein früher und bleibender Einfluss, dem Einav zunächst auf dem Festival begegnete.)
Während seines Studiums an der Jerusalem Academy of Music and Dance wurde Einav von Arnie Lawrence entdeckt, dem in Brooklyn geborenen Mitbegründer der New School for Jazz and Contemporary Music, der nach Jerusalem gezogen war, um die israelisch-palästinensische Kluft durch Musikerziehung zu überbrücken. Die Begegnung erwies sich als entscheidend, wie sich Einav erinnert: "Arnie war für so viele von uns eine überlebensgroße Figur. Er bestand immer darauf, dass er die Wahrheit hören wollte, ganz gleich, ob man nur eine Note oder einen Haufen komplexer Phrasen spielte."
Einav zog nach New York, um seinen Master-Abschluss an der renommierten Eastman School of Music in Rochester zu machen. In Manhattan wurde er zu einer festen Größe in der West-Village-Szene in den florierenden Clubs Smalls und Fat Cat, aus der 2011 sein Debüt "Opus One" (Plus Loin Music) hervorging. Auf dem Album, das von DownBeat als "klug gespielt, swingend und stimmungsvoll" gelobt wurde, sind mehrere seiner regelmäßigen Mitstreiter aus dieser Zeit zu hören, darunter der Schlagzeuger Johnathan Blake, der Bassist Joseph Lepore, der Posaunist Andy Hunter und der Pianist Shai Maestro, ein Freund seit ihrer Jugendzeit in Israel.
"A Truth About Me" (Cristal Records) folgte 2013 und schildert Einavs Umzug nach Paris anhand von Titeln wie "The Traveller", "Nomads" und "Embarcadère". Hunter kehrte an der Posaune zurück, zusammen mit den neuen Bandmitgliedern Antonin Tri Hoang (Altsaxophon und Bassklarinette), Paul Lay (Klavier), Florent Nisse (Bass) und Louis Moutin (Schlagzeug). Vor allem aber führte es das Konzept der selbsterforschenden Ehrlichkeit ein, das sich wie ein roter Faden durch die Arbeit des Saxophonisten zieht.
Später im selben Jahr veröffentlichte Einav "Generations" (Posi-Tone), auf dem er seine musikalische Abstammung zu Jazz-Ikonen wie John Coltrane, Don Byas, Andrew Hill und Harold Land zurückverfolgte. Auf dem Album wirkten der Flötist Itai Kriss, der Bassist Or Bareket, der Schlagzeuger Eliot Zigmund und der verstorbene Pianist Don Friedman mit. Mit "Beam Me Up" (Berthold) von 2016 kehrte Einav zu seinem in Frankreich ansässigen Quartett mit Lay, Nisse und dem Schlagzeuger Gautier Garrigue zurück.
Nach seinem Umzug mit seiner Familie nach Luxemburg startete Einav 2019 mit Animi (Berthold) ein neues Quintett, das von DownBeat als "eine Übung in intelligent arrangiertem Gruppeninterplay" bezeichnet wurde. Die einzigartige Besetzung wich vom traditionellen Format mit Solisten und Rhythmusgruppe ab, mit einer Gruppe, die etablierte französische, israelische, amerikanische und algerische Künstler umfasst: Andy Hunter, erneut an der Posaune, Vibraphonist Tim Collins, Bassist Jonathan Zelnik und Schlagzeuger Guilhem Flouzat. Mit "Living Organs" hat Einav eine weitere unerwartete Wendung auf seinem Lebensweg vollzogen, die sowohl einen Sprung nach vorn als auch eine Rückkehr zu seinen frühesten musikalischen Erinnerungen darstellt.
Auf seiner neuesten Veröffentlichung, "Living Organs" (Outside In Music), hat Einavs fortwährende Suche zu einem aufregenden Album geführt, das gleichzeitig auf die eigenen musikalischen Wurzeln des Saxophonisten zurückblickt und mit einem kühnen neuen elektrischen Quartett einen Blick nach vorn wagt. Wie die Organe des menschlichen Körpers funktioniert Einavs Gruppe - bestehend aus dem Gitarristen Eran Har Even, dem Organisten Laurent Coulondre und dem Schlagzeuger Paul Wiltgen - nach dem synergetischen Prinzip vitaler Einzelkomponenten, die zusammenarbeiten, um den Funken des Lebens zu zaubern. Das Album schwelgt in der Tatsache, dass "Tradition" auf verschiedenen, eklektischen und facettenreichen Pfaden verfolgt werden kann, indem Einavs Jazz-Wurzeln mit der groove-orientierten Pop- und Rockmusik seiner Jugend verschmolzen werden.
Einav ist mit seinen Ensembles auf großen internationalen Festivalbühnen wie Südtirol Jazzfest, Rochester Jazz Festival, Swing Hall Tokyo, Bohemia Jazz Festival, Venice Jazz Festival, Red Sea Jazz Festival und Enjoy Jazz Festival, Saarbrücken Jazzsydikat, Hamburg Jazz Federation, Frankfurt Palmengarten, Jazzahead Bremen und in Clubs wie Smalls, Kitano, The Knitting Factory, Unterfahrt und Le Duc des Lombards und vielen anderen aufgetreten.
All About Jazz schrieb: "Shauli Einav ist ein bemerkenswert kompletter Musiker, ein virtuoser Solist mit einem üppigen Klang auf Sopran und Tenor, dessen Kompositionen gewagt und tiefgründig sind." Diese Facetten, angetrieben durch sein tief verwurzeltes Streben, eine sich ständig weiterentwickelnde persönliche Wahrheit durch seine Musik auszudrücken, machen Einav zu einem der fesselndsten und suchendsten Saxophonisten im heutigen Jazz